Die Bundesregierung will Wasserkraft in Winsen beenden

Mitten in der Winsener Altstadt befindet sich eines der ältesten Kraftwerke für erneuerbare Energie weit und breit. Seit 1979 treibt die Luhe hier eine – dem Fluss entsprechend kleine, dafür aber emsig arbeitende – Turbine an, die Strom für über 130 Häuser liefert und das seit über 40 Jahren.

Die Frage ist, wie lange noch?

Im Bundestag wird derzeit ein „Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien“ diskutiert, das zum Problem für Anlagen wie die Winsener werden kann – und nach dem Willen der Autoren des Gesetzes auch werden soll:

Im EEG 2023 solle im Paragraph 40, Absatz eins geregelt werden, dass die Wasserkraft unter 500 kW kein Anspruch bei Neubauten und Modernisierungen mehr auf Vergütung hat, erklärt Josef Rampl, Leiter der Geschäftsstelle, Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern.

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Sprich: Wird eine neue Turbine fällig, fließt keine EEG-Vergütung mehr und die ganze Anlage wird unrentabel. Man würde also im Zweifel direkt zurückbauen und hätte ein Wasserkraftwerk weniger. In Winsen wäre das nach Lage der Dinge bereits in wenigen Jahren so.

Bug oder Feature?

„Wir bringen neues Tempo in die Energiewende, indem wir Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus dem Weg räumen.“ – So steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

„Wir werden noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen
alle notwendigen Maßnahmen anstoßen, um das gemeinsame Ziel eines beschleunigten Erneuerbaren-Ausbaus und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen zu organisieren,“ heißt es an anderer Stelle.

Wenn binnen weniger Jahre durch dieses Gesetz Wasserkraftwerke rückgebaut werden müssen, klingt das für mich eher nach Ausbau der Hürden, denn nach Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energie – auch wenn die Bundesregierung zumindest in ihrem selbstgesetzten Zeitplan bleibt.

Wird das Gesetz deswegen gerade supereilig behandelt? Oder vielleicht doch, damit keiner merkt, dass die Abschaffung kleiner Wasserkraftwerke da schwarz auf weiß drin steht?

Man könnte sich jetzt einreden, dass das ein Versehen ist, das ja korrigiert werden könnte, bevor das Gesetz kommt. Aber die zuständigen Verbände haben ihre Bedenken wie üblich angemeldet. Jeder, der an diesem Gesetz arbeitet, weiß um seine Folgen für kleine Wasserkraftwerke, jedenfalls ist davon auszugehen.

Das bedeutet aber, dass diese konkrete Folge so gewünscht ist. Sprich: Die Regierung schafft bewusst kleine Wasserkraftwerke ab.

Wenn das die Grünen wüssten!

Cui bono – wem soll das etwas nützen, fragt sich der verdutzte Bürger unweigerlich. Und warum unternehmen denn die Grünen nichts gegen diesen Irrsinn, die regieren doch mit?

Die Antwort ist simpel: Die Grünen sind Urheber speziell dieses Teilvorhabens im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ihnen geht es – angeblich – um den Schutz der Gewässerökologie, also insbesondere der Fische.

Warum angeblich? Na, weil wenn das wirklich der Grund wäre, die Kraftwerksgröße ja nicht das allein entscheidende Argument sein könnte, denn für Fische dürften Turbinen mit über 500 kW Leistung ebenfalls nichts sein, wo sie unbedingt reingeraten wollen.

Außerdem spielt für das Gesetz in der aktuellen Entwurfsform keine Rolle, welche Vorkehrungen getroffen worden sind. Das Winsener Kraftwerk hat beispielsweise eine Fischtreppe, sodass das angeblich zu lösende Problem bei uns überhaupt nicht existiert.

Nützen wird ihm das nichts, wenn das Gesetz so kommen sollte. Dann geht die über 600-jährige Geschichte der Winsener Mühle, aus der das Wasserkraftwerk hervorging, sang- und klanglos in ihr letztes Kapitel und wird vielleicht schon in 2-3 Jahren stillgelegt, obwohl es weder technisch noch ökologisch einen Grund dazu gibt.

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